Gemeinsames Sorgerecht nach der Trennung – das musst du wissen!

Weder eine Trennung der Eltern, noch deren Scheidung beenden das gemeinsame Sorgerecht. Die gemeinsame Verantwortung für ein Kind besteht auch auf rechtlicher Ebene fort. Das ist erstmal Fakt. Eine Trennung ändert aber grundlegend, wie die gemeinsame Sorge für ein Kind funktioniert. Du kannst nicht mehr mal eben ins Wohnzimmer rüberrufen, ob das eine oder andere so ok ist. Wie sich der Gesetzgeber die Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts nach einer Trennung vorstellt, erfährst du hier.
Bei der Frage, wer etwas für euer Kind entscheiden darf, kommt es immer auf die Bedeutung der Entscheidung an. Das Gesetz unterscheidet drei „Arten von Entscheidungen“:
- richtig wichtige – hier müssen beide Elternteile einverstanden sein
- Alltagsfragen – die entscheidet, das Elternteil, bei dem das Kind lebt und
- solche, die während des Umgangs auftreten – die klärt, wer Umgang mit dem Kind hat.
Wer es nochmal in Beamtendeutsch lesen möchte, schaut in § 1687 BGB. Das ist die zentrale Vorschrift für das gemeinsame Sorgerecht nach einer Trennung.
Du ahnst jetzt sicher schon, wo hier der Hase im Pfeffer liegt. Es ist im Einzelfall und vor allem im echten Leben, wo man nicht vor jeder Entscheidung stundenlang recherchieren kann, gar nicht so einfach festzustellen, mit welcher Art von Entscheidung man es zu tun hat. Schauen wir uns also die drei Fälle genauer an:
Die richtig wichtigen Entscheidungen und Alltagsentscheidungen
Das Gesetz nennt die richtig wichtigen Entscheidungen „Entscheidungen von erheblicher Bedeutung“. Eine Abgrenzung gelingt tatsächlich am besten, wenn man es von der anderen Seite angeht und sich fragt, ob es sich nicht eher um eine Alltagsfrage handelt, also eine, die sich öfter stellt und die keinen weitreichenden Einfluss auf die Entwicklung eures Kindes hat. Wichtig dabei ist es immer, die Sache vom Standpunkt des Kindes zu beleuchten. Es geht nicht darum, was das Kind will und wie wichtig ihm etwas ist, aber inwieweit eine Entscheidung Einfluss auf die Belange des Kindes und dessen Leben hat.
Hier die Klassiker zur Verdeutlichung:
Reisen
Ostsee, Malle, All-Inklusive an der Türkischen Riviera – alles kein Problem. Das ist ein „alltäglicher“ Urlaub. Überall dort, wo Risiken bestehen wie z.B. Unruhen Terrorgefahr oder gerade sehr aktuell bei Reisen in COVID-19-Risikogebiete sind wir bei Entscheidungen von erheblicher Bedeutung, mit denen beide Elternteile einverstanden seien müssen.
gewöhnlicher Aufenthalt
Der Wohnort des Kindes, also auch ein Umzug, die Frage ob Kita oder Tagesmutti, die Auswahl der Schulform und der Schule selbst oder ein Schulwechsel und gerade erst dagewesene die Frage nach freiwilligem Home-Schooling während COVID-19, alles Fragen von erheblicher Bedeutung, denn hier geht es ganz eindeutig um die Entwicklung eures Kindes.
Gesundheitsfragen
„Routinefälle“ wie Grippe oder Magen-Darm sind Alltagsfragen. Alles, was in Richtung OP geht oder mit gravierenden Nebenwirkungen oder Risiken verbunden ist, ist selbstredend von erheblicher Bedeutung und muss von den Eltern gemeinsam entschieden werden. Heiß umkämpft ist hier das Thema Impfungen. Ich tendiere dazu zu sagen, dass empfohlene Impfungen Alltag sind, deren Ablehnung dagegen etwas von entscheidender Bedeutung.
Ausnahme besonders bei Gesundheitsfragen sind dagegen immer Entscheidungen im Notfall: Wenn das andere Elternteil nicht gefragt werden kann, ohne dass hierdurch ein Risiko für dein Kind entsteht, dann kannst du, eigentlich musst du, allein entscheiden.
Veröffentlichung von Bildern
Ein Thema, dass zunehmend diskutiert wird und bei dem sicherlich auch die Rechtssprechung immer mehr den Zeitgeist aufnehmen wird, ist die Veröffentlichung von Bildern, Videos etc. Aktuell gilt, insbesondere bei kommerzieller Nutzung von Bildern ist das Einverständnis beider Elternteile Voraussetzung. Bei Bildern im WhatsApp-Status, die nur Bekannte sehen, gehe ich eher von einer Alltagsentscheidung aus.
Wenn du jetzt ein bisschen googlest findest du hunderte Beispiele, wie Gerichte dies oder jenes entscheiden haben. Aber denk bitte immer daran, dass es in keiner dieser Entscheidungen um deine Familie ging. Du solltest Beispiele aus dem Internet also nur verwenden, um ein Gefühl für die Sache zu bekommen.
Fragen, die während der Betreuung auftreten
Diese Fallgruppe meint Entscheidungen, die während des Umgangs zu treffen sind, also wenn ein Kind von dem Elternteil betreut wird, bei dem es nicht lebt. Ohne hierzu jedesmal fragen zu müssen, soll das betreuende Elternteil zum Beispiel entscheiden können, was das Kind isst, wie lange es aufbleiben darf, welchen Film es sehen darf. Diese Entscheidungsbefugnis ist nach dem Willen des Gesetzgebers etwas beschränkter, als die des sonst betreuenden Elternteils, das die Alltagsentscheidungen trifft. Ein „beliebter“ Streitpunkt, ist dabei die Frage, mit wem das Kind während des Umgangs Kontakt hat, Stichwort neue:r Lebensgefährt:in. So eine Entscheidung fällt in die Befugnis des betreuenden Elternteils. Das darf hier entscheiden. Einschränkungen sind natürlich immer dann möglich, wenn es um das Wohl des Kindes geht. Muss euer Kind zum Beispiel täglich Medikamente nehmen, kann der betreuende Elternteil nicht entscheiden, dass das während des Umgangs nicht notwendig ist.
Was tun wenn eine gemeinsame Entscheidung nötig, aber nicht möglich ist?
Du hast jetzt einen groben Überblick darüber, wer welche Entscheidungen für euer Kind treffen darf und wann ihr gemeinsam handeln müsst. Schön. Was aber, wenn ihr euch in wichtigen Dingen partout nicht einigen könnt oder das andere Elternteil, traurig, aber das kommt leider oft vor, einfach nichts dazu sagt? In diesen Fällen bleibt leider nur der Weg zum Familiengericht.

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